Am 24.09.2017 sind die Deutschen zur Wahl gerufen. Doch was kommt wohl danach? Aufschluss geben die Wahlprogramme der Parteien, die dann Startpunkt für die Koalitionsverhandlungen sind. Dieser Blogbeitrag analysiert die steuerpolitischen Perspektiven zur Unternehmensbesteuerung nach der Bundestagswahl 2017.
Nach aktuellen Berechnungen des ZEW steigt die effektive Steuerbelastung von Unternehmen in Deutschland seit 2009 (+ 2%), während sich die Steuerlast in der restlichen EU verringert hat (- 5%). Doch die deutsche Steuerpolitik geht weiterhin davon aus, dass Deutschland seit der Unternehmensteuerreform 2008 über ein international wettbewerbsfähiges Besteuerungsniveau verfügt. Keine der Parteien stellt daher umfassende Verbesserungen bei der Unternehmensbesteuerung in Aussicht. Stattdessen setzen die Wahlprogramme ihre Schwerpunkte eher bei Maßnahmen zur Bekämpfung von Steuervermeidung. Daneben haben nur wenige Steuerbonbons für die Wirtschaft ihren Weg in die Programme gefunden. Dazu gehören hier und da bessere Abschreibungsregeln und vor allem eine steuerliche Forschungsförderung (die in einem separaten Beitrag vorgestellt wird).
Körperschaftsteuer: Blick über den Tellerrand
Die Körperschaftsteuer scheint nach Ansicht der Parteien zu Höherem berufen. Dazu soll ihre Bemessungsgrundlage wahlweise mit Frankreich (Union) oder der ganzen EU (SPD, Grüne) harmonisiert werden. Die SPD favorisiert für die EU eine gemeinsame Körperschaftsteuer-Bemessungsgrundlage (GKB), während sich die Grünen für die weitergehende konsolidierte Variante (GKKB) erwärmen. Zusammen mit den Linken fordern beide EU-Mindeststeuersätze für Körperschaften, um den Steuerwettbewerb der Staaten einzuschränken. Die Linke bleibt darüber hinaus ihrer steuerpolitischen Linie treu und will den Steuersatz auf 25% anheben. Von der FDP gibt es leider keine Aussagen zur Körperschafsteuer.
Gewerbesteuer: man überlege gut, was man sagt
„Bloß nichts Falsches sagen“ hat sich offenbar auch die Union gedacht und verzichtet auf Aussagen zur Zukunft der Gewerbesteuer. Ein eventuell falscher Schritt in diesem politischen Minenfeld führt schließlich zur ritualisierten Gegenwehr der Kommunen. Konsequenterweise will auch die SPD an dieser Stelle kein unkalkulierbares Risiko eingehen und lässt nur kryptisch verlautbaren, dass sie die Gewerbesteuer „stabilisieren“ will.
Bei den kleinen Parteien wird es konkreter, schon weil diese Ihre speziellen Wählergruppen bedienen wollen und nicht in der Breite punkten müssen. Die FDP will Gründern gleich welcher Rechtsform in den ersten drei Jahren einen (verdoppelten) Gewerbesteuerfreibetrag von dann 49.000 Euro gewähren. Langfristig soll die Gewerbesteuer durch einen kommunalen Zuschlag mit Hebesatzrecht auf Körperschaft- und Einkommensteuer sowie einen höheren Umsatzsteueranteil ersetzt werden. Bis dahin will man zumindest die (gewinnunabhängigen) Hinzurechnungen, also die Besteuerung z.B. von Finanzierungskosten, „bereinigen“.
In eine andere Richtung denken Grüne und Linke. Die Grünen fordern eine um Freiberufler (z.B. Ärzte und Rechtsanwälte) erweiterte Gewerbesteuer, die sie kommunale Wirtschaftssteuer nennen. Da die zusätzliche Steuer auf die Einkommensteuer anrechenbar wäre, liefe die Maßnahme auf eine Umverteilung des Einkommensteueraufkommens an die Kommunen hinaus. Bei den Linken heißt das vergleichbare Projekt Gemeindewirtschaftssteuer. Neben der Ausweitung auf Freiberufler soll der Freibetrag auf 30.000 Euro steigen, zugleich aber die Hinzurechnung ausgeweitet werden.
Steuervermeidung und Steuerhinterziehung
Union und FDP bekennen sich klar zum internationalen Kampf gegen Steuervermeidung und Steuerhinterziehung, verzichten aber auf eigene Detailforderungen. SPD, Grüne und Linke legen dagegen eine Schippe drauf. SPD und Linke wollen mehr Steuerfahnder einstellen. Die Grünen überraschen mit der Formulierung „Steuersümpfe trockenzulegen“, die den einen oder anderen Stammwähler zumindest von der Sprachwahl her irritieren dürfte. Außerdem sollen steuerliche Vorteile durch Wohnsitzverlagerung ins Ausland beendet werden. Schwebt den Grünen etwa ein steuerliches Nationalitätsprinzip nach US-amerikanischem Vorbild vor, in dem die Steuerpflicht unabhängig vom Wohnsitz an der Staatsbürgerschaft anknüpft; nach dem möglichen Motto: Passverlängerung nur bei Vorlage der letzten Steuerbescheide?
Das Alleinstellungsmerkmal der SPD ist eine Verschärfung der Telefonüberwachung in schweren Fällen der Steuerhinterziehung. Die Linke will sämtliche DBA mit nicht kooperativen Drittstaaten kündigen und eine 50%ige Strafsteuer auf Zahlungen in solche Länder erheben. Ob dies auch für sozialistische Vorzeigestaaten wie Kuba oder Venezuela gelten soll, die bisher nicht am internationalen Informationsaustausch über Kontodaten teilnehmen? SPD, Grüne und Linke gleichermaßen fordern eine öffentliche länderbezogene Berichterstattung (Public Country-by-Country Reporting, PCbCR) sowie die Erweiterung des erst kürzlich eingeführten Transparenzregisters, an die Unternehmen ihre wirtschaftlich Berechtigten (Beneficial Owner) melden müssen. Auch die AfD stimmt in den Chor mit ein und will eine „faire“ Unternehmensbesteuerung, bei der die Gewinne dort zu besteuern sind, wo sie erwirtschaftet werden.
Steuerbilanzrecht – das neue Betätigungsfeld
Um gezielt Investitionsanreize zu setzen, haben die Parteien (mit Ausnahme der Linken) das Steuerbilanzrecht als künftiges Betätigungsfeld auserkoren. Grüne wie Liberale wollen die Grenze für geringwertige Wirtschaftsgüter (GWG) anheben. Steuersystematisch sicher ein Schritt zur Vereinfachung, auch wenn die GWG Grenzen erst kürzlich angehoben wurden. Daneben plant die FDP die Abschreibungsdauer für digitale Anlagegüter auf maximal drei Jahre zu begrenzen und die degressive AfA auf bewegliche Wirtschaftsgüter wieder einzuführen. Einen wirklichen Big Point machen die Liberalen, indem sie sich für ein deutliches Absenken des steuerlichen Abzinsungssatzes für Pensionsrückstellungen aussprechen, der in Handels- und Steuerbilanz vereinheitlicht und als Durchschnittszins über 12 Jahre berechnet werden soll.
Von der SPD kommt der Vorschlag, Abschreibungsmöglichkeiten für Forschungs- und Entwicklungsausgaben zu verbessern. Angesichts des steuerlichen Aktivierungsverbots für selbsterstellte immaterielle Wirtschaftsgüter, das einem sofortigen Betriebsausgabenabzug entspricht und regelmäßig auch FuE-Aufwendungen erfasst, scheint die Forderung aber etwas nebulös.
Auf dem Höhepunkt des Schulz-Effekts zu Jahresanfang 2017 hätte die SPD im Bund fast eine Einschränkung des Betriebsausgabenabzugs von Vorstandsgehältern und -boni durchgesetzt. Die Forderung findet sich nun allgemein als Begrenzung der Abzugsfähigkeit von Managergehältern auf 500.000 Euro im Wahlprogramm. Linke und Grüne lassen sich nicht lumpen und fordern darüber hinaus Einschränkungen auch für Boni sowie Veröffentlichungspflichten (Grüne) bzw. absolute Obergrenzen und Strafsteuern (Linke).
Fazit
Die Unternehmensbesteuerung führt in den Wahlprogrammen nur ein Schattendasein. Grundlegende Reformüberlegungen sind nicht zu finden bzw. werden (auf die lange Bank) nach Europa abgeschoben (GKKB). Dabei gäbe es genügend lohnende Ansatzpunkte, wie z.B. eine umfassende Reform der Verlustverrechnung oder der Ersatz der Gewerbesteuer mit ihren fragwürdigen gewinnunabhängigen Hinzurechnungen.
Leichte Lichtblicke gibt es im Steuerbilanzrecht. Sollte die FDP mit ihrer Forderung nach einer Absenkung des realitätsfremd überhöhten steuerlichen Diskontierungszinses für Pensionsrückstellungen durchsetzen, wäre dies ein echter Meilenstein. Es wäre dann allerdings kein Grund mehr ersichtlich, warum alle übrigen Rückstellungen und Verbindlichkeiten weiterhin mit marktfernen Zinssätzen (bisher 5,5%) diskontiert werden sollten.
Neue Belastungen für Unternehmen drohen von EU-Ebene. Im Herbst steuert dort das PCbCR auf eine Entscheidung zu. Schließt sich eine neue Bundesregierung den Unterstützern an, wäre dies der Dammbruch. Viele deutsche Hidden Champions wären gezwungen, ihre Bücher für die weltweite Konkurrenz zu öffnen.
Lesen Sie hierzu auch im NWB Experten-Blog:
- Gauß: 40 Tage bis zur Bundestagswahl: Steuersenkungen in Aussicht?
- Ortmann-Babel: Noch 32 Tage bis zur Bundestagswahl: Ehegattensplitting und Abgeltungsteuer ade?