Update: Das Wachstumschancengesetz zum zweiten Mal im Bundesrat – mit Happyend?

Am 22.3.2024 befasst sich nach dem Vorschlag des Vermittlungsausschusses der Bundesrat zum zweiten Mal mit dem Wachstumschancengesetz. Lenken die Bundesländer ein oder scheitert das Gesetz endgültig?

Hintergrund

Das Gesetz – nach dem Koalitionsvertrag ein wichtiges Vorhaben der Ampelregierung – war am 17. 11.2023 vom Bundestag beschlossen worden (BT-Drs. 20/8628; 20/9006; 20/9341; 20/9396). Es hat zum Ziel, mit steuerlichen Investitionsanreizen die Wettbewerbsfähigkeit den Standorts Deutschland zu stärken. Ferner sollte das Gesetz einen spürbaren Beitrag zum (steuerlichen) Bürokratieabbau leisten. Es sah unter anderem die Einführung einer Investitionsprämie zur Förderung der Transformation der Wirtschaft vor. Mit dieser Prämie für Energieeffizienzmaßnahmen sollten die Standortbedingungen mit steuerlichen Anreizen für Investitionen in saubere und klimafreundliche Technologien verbessert werden. Der Bundesrat hatte allerdings am 24.11.2023 den Vermittlungsausschuss angerufen und eine grundlegende Überarbeitung des Gesetzes gefordert.

Vermittlungsausschuss schlägt Wachstumschancengesetz „light“ vor

Der Kompromiss des Vermittlungsausschusses (BT-Drs. 20/10411) vom 21.2.2024, dem der Bundestag am 23.2.2024 zugestimmt hat, umfasst zahlreiche Änderungen am Gesetz, unter anderem Weiterlesen

EU-Staaten einigen sich auf EU-Lieferketten-RL „light“

Am 15.3.2024 haben sich die EU-Mitgliedstaaten mit der erforderlichen Mehrheit auf eine (abgespeckte) EU-Lieferketten-RL geeinigt. Was bedeutet das für die deutsche Wirtschaft?

Hintergrund

Ich habe wiederholt im Blog berichtet: Seit 1.1.2023 gilt in Deutschland zum Schutz von Arbeits- und Menschenrechten sowie Umweltstandards in Lieferketten das Lieferkettengesetz (LKSG). Auf EU-Ebene hatte man sich im Dezember 2023 bereits auf eine EU-Lieferketten-RL (CSDDD) geeinigt, die dann aber aufgrund des deutschen Vetos im Ministerrat im Januar 2024 blockiert wurde. Seitdem wurde an Kompromisslösungen gearbeitet, um die CSDDD noch vor der Europawahl im Juni 2024 unter Dach und Fach zu bringen.

Was ist Inhalt der beschlossenen CSDDD „light“?

Betroffen von der am 15.3.2024 auf Botschafterebene beschlossen CSDDD sind „nur noch“ Unternehmen mit einer Größe ab 1000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern und einem Umsatz von 450 Millionen Euro pro Jahr – nach einer Übergangsfrist von fünf Jahren. Nach drei Jahren sollen die Vorgaben zunächst für Unternehmen mit mehr als 5000 Beschäftigten und mehr als 1,5 Milliarden Euro Umsatz weltweit gelten. Nach vier Jahren sinkt die Grenze auf 4000 Mitarbeiter und 900 Millionen Euro. Anders als das deutsche Lieferkettengesetz sieht die CSDDD bei einem Verstoß gegen die Prüfpflichten beim Schutz von Menschenrechten und Umweltschutzstandards auch eine zivilrechtliche Haftung vor. Gegenüber dem ursprünglichen Entwurf wurde also die CSDDD deutlich abgespeckt – sieht man von der verschärfenden zivilrechtlichen Haftung ab.

Wie ist der EU-Beschluss aus Sicht der deutschen Wirtschaft zu bewerten?

Positiv ist zwar, dass mit der künftigen CSDDD das „Inseldasein“ des deutschen LKSG sein Ende findet. Dennoch fürchten Wirtschaftsverbände und Wirtschaftsinstitute zum Nachteil deutscher Unternehmen eine weitere Zunahme überbordender Bürokratie. Die deutsche Wirtschaft tobt deshalb – meines Erachtens zu Recht. Auch wenn die CSDDD ihrem Anwendungsbereich auf große Unternehmen beschränkt, funktioniert die praktische Realität anders. Denn große Unternehmen geben die für sie geltenden Pflichten in Lieferketten in der Regel an ihre Zulieferer weiter. Damit erreicht die CSDDD faktisch künftig auch weite Teile des deutschen Mittelstandes bzw. KMU. Das ist lähmend für weiteres deutsches Wirtschaftswachstum. Besser wäre deshalb gewesen, das EU-Lieferkettenrecht mit Bedacht grundsätzlich zu überarbeiten und auf das unbedingt Notwendige zu beschränken.

Wie geht’s weiter?

Die neue EU-Lieferketten-RL muss noch vom Ministerrat und vom Europäischen Parlament angenommen werden, das scheint jetzt nur noch eine Formsache zu sein. Die CSDDD könnte dann bereits dieses Jahr in Kraft treten und muss dann zwingend von den 27 EU-Mitgliedstaaten umgesetzt werden.

Weitere Informationen:
Überarbeitung der EU-Lieferkettenrichtlinie wäre wünschenswert gewesen (dihk.de)

Serie Risiko Bilanz – wo man genauer hinschauen sollte: Warum Lanxess eine halbe Milliarde abschreiben musste und dennoch „Glück“ hatte

Abschreibungen bei Firmenwerten

Aufregende Zeiten. In den Bilanzen der Unternehmen ist einiges los. Aus Unternehmenssicht häufig nicht erfreulich, aus meiner Sicht als Referentin und Autorin eine Fülle an Praxisbeispielen. Eine spannende Frage: Platzt nun die Zeitbombe Goodwill in den IFRS-Bilanzen? Zumindest beim MDAX-Konzern Lanxess wurde einiges an Luft rausgelassen. Eine halbe Milliarde, um genau zu sein.

Droht auch anderen Konzernen das Gleiche wie Lanxess? Inzwischen sind schon zahlreiche Berichte der großen börsennotierten Unternehmen veröffentlicht. Derzeit sieht es nicht danach aus. Doch Achtung: Es gibt Spielräume, um eine drohende Abschreibung – zumindest vorübergehend – zu verhindern. Worauf man achten sollte? Das schauen wir uns genauer an. Weiterlesen

Schlussabrechnungsfrist für Corona-Wirtschaftshilfen letztmals verlängert

Die Wirtschaftsminister des Bundes und der Länder haben die Frist für die Schlussabrechnung der Corona-Wirtschaftshilfen über prüfende Dritte letztmals bis zum 30.9.2024 verlängert.

Hintergrund

Während der Corona-Pandemie haben Bund und Länder Soloselbständigen und Unternehmen zur Abfederung der wirtschaftlichen Pandemiefolgen umfangreiche finanzielle Hilfen gewährt. Im Anschluss an die Soforthilfen waren seit Juni 2020 die Hilfsprogramme in der Regel über prüfende Dritte, d.h. Rechtsanwälte und die Angehörigen der steuerberatenden Berufe zu beantragen.

Die Anträge auf Überbrückungshilfen sowie November- und Dezemberhilfen, die über eine prüfende Dritte oder einen prüfenden Dritten eingereicht wurden, wurden häufig auf Basis von Umsatzprognosen und prognostizierten Kosten bewilligt. Auf Grundlage der tatsächlichen Umsatzzahlen und Fixkosten erfolgt eine Schlussabrechnung durch eine prüfende Dritte oder einen prüfenden Dritten. Nach Prüfung durch die Bewilligungsstelle wird im Schlussbescheid eine endgültige Förderhöhe mitgeteilt. Das kann je nach gewählten Programmen zu einer Bestätigung der erhaltenen Mittel oder zu einer Nach- oder Rückzahlung führen.

Ultimativ letzte Fristverlängerung

Die Schlussabrechnung konnte über prüfende Dritte seit Mai 2022 erfolgen und musste nach verlängerter Frist bis 31.10.2023 erfolgen. Auf Antrag konnte sie bis 31.3.2024 verlängert werden, wenn der prüfende Dritte online ein entsprechendes Organisationsprofil für die Abrechnung angelegt hatte.

Wegen der massiven Arbeitsüberlastung der prüfenden Dritten war allerdings absehbar, dass die Flut der Abrechnungsfälle nicht bis 31.3.2024 zu bewältigen ist. Deshalb liefen schon geraumer Zeit Verhandlungsgespräche der Berufskammern auf Bundesebene mit den Wirtschaftsministerien mit dem Ziel einer abermaligen Fristverlängerung.

Dem sind die Wirtschaftsminister des Bundes und der Länder in ihrer WMK-Sonderkonferenz Mitte März gefolgt: Die Abrechnungsfrist wird letztmals bis 30.9.2024 verlängert, eine nochmalige Verlängerung oder eine weitere Mahnung wird es definitiv nicht geben. Wird nicht innerhalb der letzten Frist abgerechnet, droht nach den Schlussabrechnung-FAQ die vollständige Rückforderung von Corona-Wirtschaftshilfen. Unterbleibt in Einzelfällen ohne Verschulden die Abrechnung kommt ggf. Wiedereinsetzung (§ 32 VwVfG) in Betracht. Keine Fristverlängerung gibt es aber für die Abrechnung der Neustarthilfe.

Bewertung

Die letztmalige Fristverlängerung ist aus praktischer Sicht vernünftig, denn die Angehörigen der steuerberatenden Berufe müssen auch für die fristgerechte Abgabe der Steuererklärungen ihrer Mandanten Sorge tragen und leiden zudem unter Fachkräftemangel. Die Einreichungsdynamik muss verstetigt werden, damit die derzeit noch ausstehenden rd. 400.000 Abrechnungspakete bis zum 30.9.2024 möglichst alle eingereicht und von den Bewilligungsstellen geprüft werden können.

Etwa zur Hälfte des Verlängerungszeitraums, am 1.7.2024, erfolgt eine Zwischenbilanz mit Erinnerungsschreiben, um bei Bedarf nachjustieren zu können. Berücksichtigt man, dass nach Schlussabrechnung noch Rückzahlungs- oder Nachzahlungsbescheide erfolgen, an die sich in vielen Fällen noch Rechtsbehelfsverfahren anschließen, wird sich das Schlussabrechnungsverfahren noch mindestens bis ins Jahr 2025 hinziehen.

Weitere Informationen:

Oldtimer im Betriebsvermögen – Kapitalanlage ist nicht gleich Kapitalvermögen

Vermögensverwaltende Unternehmen möchten nach Möglichkeit die erweiterte gewerbesteuerliche Kürzung nach § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG nutzen. Allerdings ist insoweit das „Ausschließlichkeitsgebot“ zu beachten. Zwar sind seit dem Erhebungszeitraum 2021 mit dem Fondsstandortgesetz gewisse Gefahren entschärft worden, etwa der Betrieb von Photovoltaikanlagen, doch es gibt nach wie vor einige Fallen, die es zu umgehen gilt.

Ob sich Oldtimer im Betriebsvermögen, die als reine Kapitalanlage erworben wurden, als eine solche Falle entpuppen, muss nun der BFH entscheiden. Das FG Baden-Württemberg jedenfalls hat entschieden, dass die erweiterte gewerbesteuerliche Kürzung entfällt, selbst wenn mit den Fahrzeugen während der Besitzzeit keinerlei Erträge erwirtschaftet werden (FG Baden-Württemberg, Urteil vom 28.3.2023, 6 K 878/22). Weiterlesen

Gewinn aus Mitarbeiterbeteiligung führt nicht zu steuerpflichtigem Arbeitslohn

In einer aktuellen Entscheidung hat der BFH (v. 14.12.2023 – VI R 1/21) festgestellt, dass bei einer Mitarbeiterbeteiligung der lohnsteuerliche Fortsetzungszusammenhang entfällt, wenn erworbene Anteile später gewinnbringend zu marktüblichen Preisen verkauft werden. Was ist zu beachten?

Hintergrund

Mitarbeiterbeteiligungen am Unternehmen dienen der Motivation und Bindung von Beschäftigten, insbesondere bei Führungskräften. Es gibt in der Praxis ein breites Spektrum von Mitarbeiterbeteiligungsmodellen, die von (echten) Gewinnbeteiligungen bis hin zu Aktienoptionen reichen. Entwickelt sich später der Anteilswert positiv, stellt sich bei einem gewinnbringenden Rückverkauf der Anteile an den Arbeitgeber die Frage, ob der Gewinn als Arbeitslohn (§ 19 EStG) steuerpflichtig und deshalb deutlich schmaler ausfällt als bei einer pauschalen Besteuerung mit Kapitalertragsteuer in Höhe von 25 Prozent.

Wie differenziert der BFH?

Erwirbt ein Mitarbeiter durch das Arbeitsverhältnis veranlasst eine echte Mitarbeiterbeteiligung, bei der der Mitarbeiter am Wertzuwachs teilnimmt, führt dies zu einem lohnsteuerbaren Vorteil, der bei Zufluss als Arbeitslohn zu versteuern ist. Weiterlesen

BGH billigt virtuelle Eigentümerversammlungen während Corona

Versammlungen und Beschlüsse einer Wohnungseigentümergemeinschaft (WEG) waren während der Corona-Pandemie auch virtuell möglich, hat der BGH ganz aktuell entschieden (BGH v. 8.3.2024 – V ZR 80/23).

Was bedeutet das für die Zukunft?

Hintergrund

Zum 1.12.2020 sind zahlreiche neue Regeln im Wohnungseigentumsrecht in Kraft getreten, nachdem das WEG-Reformgesetz am 22.10.2020 im Bundesgesetzblatt verkündet wurde (BGBl 2020 I S. 2187). Die Eigentümer erhielten in § 23 Abs. 1 WEG-neu eine Beschlusskompetenz, den Eigentümern zu ermöglichen, online an einer Präsenz-Eigentümerversammlung teilzunehmen. Die Möglichkeit, Präsenzversammlungen per Mehrheitsbeschluss zugunsten reiner Online-Eigentümerversammlungen abzuschaffen, war hiervon allerdings nicht umfasst. Es blieb also bei dem Grundsatz, dass Versammlungen von WEG‘s grundsätzlich in körperlicher Präsenz stattfinden, allerdings ein Eigentümer auch online an der Präsenzversammlung teilnehmen kann. Nach § 24 Abs. 1 WEG muss der Verwalter einerseits mindestens einmal im Jahr eine Versammlung einberufen – auch während der Corona-Pandemie.

Sachverhalt im Streitfall

Geklagt hatten Mitglieder einer Eigentümergemeinschaft. Die Verwalterin hatte zu einer schriftlichen Eigentümerversammlung während der Corona-Pandemie am 24.11.2020 eingeladen und dies mit der Aufforderung verbunden, ihr eine Vollmacht und Weisungen für die Stimmabgabe zu erteilen. Fünf von 24 Eigentümern kamen dem nach – die Kläger aber nicht. In der Eigentümerversammlung war dann nur die Verwalterin anwesend. Im Anschluss an die Versammlung übersandte sie ein Protokoll mit den von ihr gefassten Beschlüssen. Das sei nicht zu beanstanden, hat der BGH jetzt festgestellt und ein Urteil der Vorinstanz aufgehoben.

Wie hat der BGH entschieden? Weiterlesen

BEG 4: Abbau des Schriftformerfordernisses als richtiger Schritt

Am 11.01.2024 hatte das BMJ den Referentenentwurf für ein Viertes Bürokratieentlastungsgesetz veröffentlicht, durch welches erneut bürokratische Vorschriften, die viele Unternehmen belasten, reduziert werden sollen.

Das Gesetz soll vor allem eine Verkürzung von Aufbewahrungsfristen für Buchungsbelege im Handels- und Steuerrecht, den Abbau von Melde- und Informationspflichten sowie die Umsetzung von Projekten zur Verwaltungsvereinfachung und Verwaltungsbeschleunigung realisieren. Weiterlesen

Auswirkungen des Bahnstreiks auf die Wirtschaft und seine Grenzen

In der aktuellen Tarifrunde hat die Gewerkschaft der Lokführer zum sechsten Mal zum Streik aufgerufen. Welche Konsequenzen hat der Bahnstreik für Wirtschaft und Bürger und wo stößt das Streikrecht an Grenzen?

Hintergrund

Art. 9 Abs. 1 GG regelt, dass alle Deutschen das Recht haben, Vereine und Gesellschaften zu bilden. Die Basis für die Tarifautonomie und damit auch für Streiks liefert Art.9 Abs.3 S. 1 GG: Das Recht, zur Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen Vereinigungen zu bilden, ist für jedermann und für alle Berufe gewährleistet. Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen, also z.B. mehr Lohn, mehr Freizeit, arbeitsnehmerfreundliche Arbeitsabläufe in den Betrieben – also das, was aktuell die GDL fordert, kann auch ein zulässiges Streikziel sein. Mitgliedergewinnung und Positionierung gegenüber einer anderen ebenso kleinen Gewerkschaft der Branche ist jedoch ebenso wenig legitim wie die Verfolgung allgemeiner politischer Ziele.

Auswirkungen auf die Wirtschaft und Bürger

Auch die Wirtschaft ist von den Streiks im Güter- und Personenverkehr betroffen. Schätzungen des Instituts der deutschen Wirtschaft zufolge kostet jeder Streiktag die Wirtschaft rund 100 Millionen, weil zum Beispiel dringend benötigte Waren nicht ankommen oder Lieferungen nicht ausgebracht werden können. Industrie- und Gewerbebetriebe sind von der Versorgung mit Exportgütern abgeschnitten. Auch nicht direkt betroffene Unternehmen können dadurch Einbußen erleiden, wenn sie beispielsweise in einer Lieferkette betroffen sind.

Von Streik betroffenen Bürger können die Bahn nicht als Verkehrsmittel nutzen, erreichen ihren Arbeitsplatz verspätet oder gar nicht. Urlauber erreichen nicht ihr Urlaubsziel, sie müssen sich auf lange Wartezeiten und alternative Verkehrswege einstellen. Weiterlesen